Sandra Schmidt ist als vierte deutsche Frau Internationale Schiedsrichterin (International Arbiter) im Schach geworden. Wie sie das geschafft hat, erzählt sie im Interview.
Die 33-jährige Schachschiedsrichterin und -Spielerin Sandra Schmidt begeisterte sich 2014 das erste Mal für den Schachsport. Nun ist die gebürtige Brandenburgerin zusammen mit Gregor Johann Turnierdirektorin der DSAM (Deutsche Schach-Amateurmeisterschaft). Des Weiteren belegt sie die Positionen der Breiten- und Freizeitsportreferentin beim Deutschen Schachbund, ist Beauftragte für die Deutschen Blitz- und Schnellschachmeisterschaften der Frauen, Staffelleiterin der FRL Nord und Mannschaftsführerin für den SC Wittstock bei der DSOL. Außerdem kommt Sandra auch selbst noch zum Schachspielen und ist viel als Schiedsrichterin unterwegs. Zum Zeitpunkt unseres Interviews ist Sandra in Düsseldorf beim WR Chess Juniors als Schiedsrichterin im Einsatz.
Tatiana Flores im Interview mit Schach Schiedsrichterin Sandra Schmidt
Wann hast du angefangen Schach zu spielen? Gefiel es dir auf Anhieb?
Sandra Schmidt: Schach habe ich angefangen während meines Studiums 2014 in Brandenburg an der Havel und zwar war da ein Einkaufszentrum auf der Grünen Wiese mit einem Aushang: „Hey, wir spielen hier Schach“. Daneben war auch ein riesiges Demo-Brett aufgebaut und es wurde bekannt gegeben, dass an dem Tag ein Fide-Meister ein Simultan geben würde. Da habe ich dann mitgemacht! Natürlich habe ich schnell verloren, weil ich gar keine Erfahrung mit Schach hatte. Aber egal, denn es war spannend. So hat es sich ergeben, dass ich mit den Spielern, die auch beim Simultan mitgemacht hatten, in Kontakt getreten bin und wir uns dann privat getroffen haben, um die eine oder andere Partie zu zocken und einiges voneinander zu lernen. Danach habe ich mit dem A-B-C des Schachs angefangen. Ich glaube, das ist ein altes DDR-Buch. Das war von meinem Großvater. Dann habe ich mir das Damengambit angeguckt, weil es in der Eröffnung ein oder zwei Fallen gab, wo ich mir dachte, dass ich damit jemanden bestimmt reinlegen kann, was damals auf meinem Level auch geklappt hat. Dadurch hat es auch schnell Spaß gemacht, wenn man ab und zu Partien gewonnen hat. Ich hatte von Anfang an Freude am Schach! Meine Begeisterung wuchs beim Work & Travel in Australien 2015. Jede freie Minute verbrachte ich im Hyde-Park und lernte so viele tolle Menschen kennen. Das erste Turnier spielte ich dann 2016 und in diesem Jahr gewann ich auch gleich die DSAM in Magdeburg in der F-Gruppe.
Wie erzielt man eine IA-Norm? Erkläre mit bitte, wie das System funktioniert.
Sandra Schmidt: Um eine IA-Norm zu erzielen, musst du erst mal Fide-Schiedsrichterin sein. Prinzipiell kannst du überall dort IA-Normen erzielen, wo auch Spieler:innen Normen kriegen können. Das heißt, dass der Titel-Mix gewährleistet ist, dass der Ausländer-Mix entsprechend ist, dass das Turnier aus neun Runden besteht und das Turnier muss natürlich von einem IA geleitet werden, der die IA-Norm auch ausstellen kann. Es gibt auch Turniere, bei denen du in sieben Runden eine IA-Norm machen kannst. Wie zum Beispiel ein Turnier nach Schweizer System mit über 100 Leuten Es gibt also ein paar Ausnahmen, aber die kann man auch alle in den Fide Regulations for Arbiters nachlesen.
In der Regel verläuft der Weg zum IA-Titel zunächst über den RSR (Regionalen Schiedsrichter) – NSR (Nationalen Schiedsrichter) – FA (Fide Arbiter) und dann zum IA (International Arbiter), aber für Frauen hat die Schiedsrichterkommission den Weg kürzlich vereinfacht. Diese können gleich an einem NSR-Lehrgang teilnehmen, ohne vorher den RSR-Titel zu besitzen.
Wann kam der Wunsch in dir auf, Schachschiedsrichterin zu werden?
Sandra Schmidt: Ich war dann zwischenzeitlich schon einem Schachklub beigetreten und der Schachklub hat ein paar Spieler zu einem Schiedsrichterlehrgang geschickt. Das war wohl ganz toll und superfantastisch und ich habe mich halt geärgert, dass ich nicht dabei war für diese paar Tage, wo die jetzt eine gute Zeit hatten und habe mir gedacht: „Ok, das hole ich nach!“ Irgendwie war das dann zwei Jahre später wieder ausgeschrieben und dann habe ich mitgemacht. Regelkenntnis ist ja auch wichtig. Gerade bei Mannschaftskämpfen wird auch oft diskutiert, darf man das oder darf man das nicht, wie ist das jetzt zu bewerten. Es kommen halt immer viele Fragen auf und da habe ich mir mehr Verständnis gewünscht, diese Situationen bewerten zu können. Dann habe ich am besagten Lehrgang teilgenommen, das war 2019, wo ich dann den Regionalen Schiedsrichter gemacht habe. Ein Jahr darauf den Nationalen Schiedsrichter, ein Jahr darauf den Fide-Schiedsrichter und seit letztem Jahr bin ich auch jetzt endlich Internationale Schiedsrichterin.
Was sind deine Interessen und Hobbys abseits des Schachs?
Sandra Schmidt: Abseits des Schachs habe ich ein sehr bewegungsfreudiges Tier, nämlich einen belgischen Schäferhund. Der ist sehr aktiv und will natürlich bewegt werden, trainiert werden und abseits des Brettes bin ich eigentlich immer mit ihr unterwegs. Wir gehen viel laufen, joggen, wandern etc. Auch zusammen mit meinem Lebenspartner Gregor Johann, der auch immer dabei und für Sport zu begeistern ist.
Welche weiteren Ziele/Wünsche hast du bezüglich deiner Karriere?
Sandra Schmidt: Ja, ich wünsche mir natürlich irgendwann mal ein internationales Event, das man leiten darf. Auf europäischer Ebene oder sogar ein Stückchen höher. Das wäre schön, ja … Vielleicht auch bei einer Olympiade als Schiedsrichterin.
Wieso meinst du, gibt es so wenige weibliche Schiedsrichterinnen im Schach? Was kann bzw. sollte man deiner Meinung nach tun, um diesen Zustand zu verbessern?
Sandra Schmidt: Hmmm. Das ist schwierig … Ich denke zunächst, dass sich die Situation in den letzten Jahren etwas verbessert hat. Wir haben jetzt einige Fide-Schiedsrichterinnen und ich glaube, wir bekommen dieses Jahr sogar die vierte oder fünfte Internationale Schiedsrichterin dazu. Ich denke, dass es bei Frauen hilft, wenn sie aktiv angesprochen werden. Ich hatte das Glück, dass ich nach meinem Nationalen Schiedsrichter von Jürgen Kohlstädt gefragt wurde, ob ich Lust hätte, bei einer deutschen Schnellschachmeisterschaft mitzumachen. Ich dachte mir „Wow, eine Schnellschachmeisterschacht! Irre! Natürlich möchte ich da mitmachen.“ Also ich finde dieses aktive Ansprechen sehr wichtig. Man darf nicht einfach davon ausgehen und sagen „hier gibt es ein Lehrgang, macht mit“. Ich denke, man muss wirklich aktiv auf die Spielerinnen zu gehen, um sie zu begeistern, auch als Schiedsrichterinnen aktiv zu werden.
Siehst du dich als Vorbild?
Sandra Schmidt: Ja, ich hoffe doch, dass ich irgendwo eine Vorbildfunktion einnehme, wenn man mich am Brett sieht in der sogenannten Männerdomäne oder neben dem Brett in diesem Fall.
Siehst du dich also als Spielerin und Schiedsrichterin als Vorbild?
Sandra Schmidt: Hmmm … Ich glaube mehr als Schiedsrichterin, weil ich als Spielerin nicht mehr so aktiv bin wie damals, als ich angefangen habe. Dazu bleibt jetzt kaum noch Zeit, weil ich auch einige andere Ämter habe. Deswegen glaube ich eher, dass ich auf der Ebene als Vorbild zu sehen bin.
Herzlichen Dank für deine Zeit, Sandra! Melanie und ich wünschen dir weiterhin alles Gute.
Am Ende unseres Interviews teilte mir Sandra während unserer Unterhaltung mit, dass es auch ein generelles Ziel sei, die Frauenbundesliga rein mit weiblichen Schiedsrichterinnen durchführen zu können. Das ist doch mal ein Ansporn, Schiedsrichterin zu werden!
Früher hat Sandra gerne über ihre Schachreisen und -Begegnungen geschrieben, aber das schafft sie jetzt leider nicht mehr regelmäßig. Hier findest du einige ausgewählte Texte von ihr:
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- In diesem Blog-Post teilt Melanie Lubbe 7 wertvolle Schach Tipps für Schach-Anfängerinnen: https://schachliebe.de/schach-tipps-fuer-anfaenger/
- Weitere weibliche Vorbilder lernst du in diesem Artikel über die bekannte zweifache US-Meisterin und Aktivistin Jennifer Shahade kennen: https://schachliebe.de/buchempfehlung-chess-queens/