Die Schacheröffnung ist der Auftakt zu jedem Schachspiel und bildet das Fundament für den weiteren Verlauf der Partie. Gerade für Anfänger:innen mag es verlockend erscheinen, sich in den ersten Zügen intuitiv zu bewegen, doch eine gezielte Vorbereitung auf Schacheröffnungen kann den Unterschied zwischen Erfolg und Misserfolg bedeuten. Viele Spieler:innen betrachten es als müßig, Eröffnungen zu studieren, sie regelrecht auswendig zu lernen. Doch letztendlich sind sie ein Teil der Erfahrungen von Spielern aus aller Welt. Rudolf Spielmann sagte eins:
Spiele die Eröffnung wie ein Buch, das Mittelspiel wie ein Zauberer und das Endspiel wie eine Maschine.
Rudolf Spielmann
Natürlich ist es immer das Mittelspiel, welches die Faszination für das Schachspiel bündelt. Spektakuläre Schachzüge, die keiner hat kommen sehen. Unglaubliche Opfer, die doch zum Sieg führten. Verheerende Fehler, die den Sieg kosteten. Doch am Ende war es die Eröffnung, die den Grundstein für die bekanntesten Partien der Schachgeschichte legte.
In diesem Artikel werden wir uns nicht auf spezielle Eröffnungen konzentrieren, sondern vielmehr die Bedeutung einer strukturierten Herangehensweise an die Eröffnungsphase des Spiels hervorheben und die zahlreichen Vorteile aufzeigen, die eine solche Vorbereitung bietet. Denn die Eröffnung ist nicht nur die Grundlage einer jeden Strategie, sondern vermittelt auch das nötige Verständnis, um auf die Züge des Gegners angemessen zu reagieren. Nachfolgend betrachten wir daher drei Eröffnungen:
- Die Spanische Partie, auch Ruy Lopez genannt
- Die Englische Eröffnung
- Die Sizilianische Verteidigung
Jede dieser Eröffnung ist für Anfänger:innen geeignet und ermöglicht einen guten Einblick in die Eröffnungstheorie.
Die Spanische Partie (Ruy Lopez)
Die Spanische Partie, auch als Ruy Lopez bekannt, ist ein der traditionsreichsten und berühmtesten Schacheröffnungen der Schachgeschichte. Sie wurde nach dem spanischen Priester Ruy Lopez de Segura benannte, der im 16. Jahrhundert die Eröffnung in seinem Buch „Libro de la invención liberal y arte del juego del Axedrez“ ausführlich beschrieb. Mit ihrer strategischen Tiefe und einer Vielzahl an Varianten bietet die Spanische Partie ein breites Spektrum an Herausforderungen.
In dieser Eröffnung übernimmt Weiß sofort das Zentrum des Schachbretts und strebt eine harmonische Entwicklung seiner Schachfiguren an. Durch die Ausgewogenheit bietet die Eröffnung auch Anfängern und Anfängerinnen viele Möglichkeiten, sich taktisch auszuprobieren und einen guten Übergang ins Mittelspiel anzustreben.
Nachdem Weiß seinen Läufer auf b5 gezogen hat wird Schwarz in der Regel versuchen, diesen mit seinem a-Bauern zu vertreiben oder den Bauern auf e4 ins Visier zu nehmen. Letzteres erfolgt in der Regel mit dem Springer auf f6. In beiden Varianten muss Weiß reagieren. Im ersten Fall kann Weiß seinen Läufer mit dem Springer abtauschen, was einen Doppelbauern für Schwarz bedeuten würde. Häufiger erfolgt jedoch der Rückzug auf a4. Sollte Schwarz in dem Fall den Läufer noch weiter mit seinem b-Bauern bedrohen, so zieht der Läufer auf b3 und unterstützt die Diagonale zum Königsflügel. Im zweiten Fall gewinnt Weiß an Tempo und kann rochieren. Sollte Schwarz den Bauern auf e4 schlagen, so kann Weiß mit dem Zug d2-d4 das Zentrum angreifen und den Bauern zurückerobern. Ein Damentausch ist in diesem Verlauf nicht ungewöhnlich.
Dies waren nur zwei Beispiele für einen Spielverlauf der Spanischen Partie. Was aber deutlich wird, ist die frühe Aktivierung der Leichtfiguren und eine schnelle Rochade. Zwar kann es vorkommen, dass beide Parteien gezwungen sind, entgegen der Goldenen Eröffnungsregeln ihre Schachfiguren öfter zu ziehen (bspw. den weißen Läufer). Dies geschieht aber nur bei einem frühzeitig offensiven Verhalten eines Spielers. Abseits dieser Varianten können beide Spieler ihre Leichtfiguren schnell ins Spiel bringen und Stellungen erschaffen, die eine Vielzahl an taktischen Manövern ermöglichen.
Die Englische Eröffnung
Die Englische Eröffnung ist die wohl vielseitigste und flexibelste Eröffnungen in der Welt des Schachs. Im Gegensatz zu den meisten Eröffnungen beginnt sie nicht mit dem klassischen Bauernzug auf e4, sondern zieht den Bauern auf der c-Linie auf c4 und ordnet sich somit kategorische bei den Dameneröffnungen ein. Sie entwickelte sich im 19. Jahrhundert und wurde in den frühen 1830er Jahren erstmals in Schachpartien gespielt. Obwohl sie heute als eine der Haupteröffnungen im Schach gilt, war sie zu dieser Zeit noch nicht weit verbreitet und wurde oft als unkonventionell angesehen.
Der Name „Englische Eröffnung“ wurde ihr gegeben, weil sie erstmals in bedeutenden Partien 1843 und 1851 von Howard Staunton, einem der führenden englischen Schachspieler seiner Zeit, gespielt wurde. Staunton war bekannt für seine herausragenden Beiträge zur Schachtheorie und trug maßgeblich zur Popularisierung dieser Eröffnung bei. Wenngleich sie Mitte des 19. Jahrhunderts noch keine große Bekanntheit erlangte, so wurde sie doch ende der 1860er Jahre literarisch festgehalten. Im 20. Jahrhundert wurde die Eröffnung schließlich wettbewerbsfähig und wurde regelmäßig von berühmten Schachspielern wie Karpov, Kasparov, Carlsen und Ding gespielt. Selbst Fischer nutze die Eröffnung im Jahrhundertmatch gegen Spassky (1972 World Chess Championships: Fischer gegen Spassky, Spiel 8).
In der Englischen Eröffnung stellen sich häufig zwei Spielverläufe ein. In der ersten greift Schwarz das Zentrum mit e5 an, worauf Weiß mit Springer auf c3 gegenhält. Danach entwickeln beide Spieler ihre restlichen Springer und erzeugen ein stark umkämpftes Zentrum, das in der Regel mit einem Bauernvorstoß eingeleitet wird. Im zweiten Spielverlauf bringt Weiß ein Fianchetto mit seinem Läufer auf g2 ins Spiel, bevor oder nachdem er den Springer entwickelt. Der Tempoverlust wird durch die stabile Stellung von Weiß ausgeglichen.
Unabhängig davon, wie Weiß sich entscheidet, entstehen in der Regel taktisch anspruchsvolle Spielstellungen. Die Englische Eröffnung ist weniger theorielastig als andere Eröffnungen, weshalb sie für Anfänger:innen und Spieler:innen geeignet ist, die ihren Schwerpunkt mehr auf taktische Spielmanöver im Mittelspiel legen möchten.
Die Sizilianische Verteidigung
Die Sizilianische Verteidigung wurde erstmals literarisch von Giulio Polerio im Jahre 1594 beschrieben und analysiert. Zur damaligen Zeit trug die Eröffnung jedoch noch nicht ihren heutigen Namen. Berühmte Schachspieler des 17. Jahrhunderts, darunter Alessandro Salvio, Gioachino Greco und Carlo Cozio, widmeten sich ausführlich dieser Eröffnung und hielten ihre Erkenntnisse in ihren Schriften fest. Doch erst im Jahre 1813 beschrieb Jacob Henry Sarratt die Eröffnung als „Sizilianisch“, da er in einem italienischen Manuskript einen Bezug zu Sizilien fand.
Die Sizilianische Verteidigung zeichnet sich durch ihre Unberechenbarkeit und ihren taktischen Schwerpunkt aus. Schwarz verzichtet zunächst auf die direkte Besetzung des Zentrums, um stattdessen auf eine defensive und asymmetrische Stellung hinzuarbeiten. Sobald diese erreicht ist, schaltet Schwarz um und konzentriert sich auf Angriffsmanöver. Die Sizilianische Verteidigung verschafft Schwarz keinen sich aus ihr selbst ergebenen Vorteil gegenüber Weiß, kann aber dennoch zu einem kämpferischen Spielstil eines Spielers oder einer Spielerin passen und diesen fördern. André Danican Philidor – nicht zu verwechseln mit seinem Sohn und Schachgroßtalent François-André Danican Philidor – beschrieb die Sizilianische Verteidigung unter anderem wie folgt:
Diese Eröffnungsart […] ist absolut defensiv und weit davon entfernt, die beste zu sein […] aber sie ist sehr gut, um die Stärke eines Gegners zu testen, mit dessen Fähigkeiten man nicht vertraut ist.
François-André Danican Philidor
Berühmte Verläufe dieser Partie sind die Najdorf- und die Drachenvariante. Zwar unterscheiden sich beide Varianten nicht in ihren Anfangszügen, führen aber in der Überleitung ins Mittelspiel zu gänzlich anderen Spielverläufen.
Bei der Najdorf-Variante erfolgt ein Bauerntausch auf d4, der vom weißen Springer zurückgeschlagen wird. Schwarz leitet danach seinen Angriff mit einem Bauernvorstoß auf a6 ein. Das Ziel ist es, mit dem b-Bauern über b5 und b4 immer weiter vorzurücken und den Damenflügel zu erobern. Wenn Weiß seine Läufer nicht über g5 ins Spiel bringt und somit die Diagonale über den schwarzen Springer und seiner Dame einnimmt, wäre auch ein Angriff mit dem schwarzen e-Bauern möglich.
Bei der Drachenvariante führt Schwarz das Spiel nicht mit a6, sondern mit g6 fort. Die geschwungene Bauernstruktur von Schwarz begründet hierbei der Bezeichnung als Drachenvariante, da diese eine hohe Ähnlichkeit mit dem Sternenbild des Drachen aufweist. Nach dem Bauernzug baut Schwarz ein Fianchetto mit seinem Läufer über g7 auf und rochiert zur Königsseite. Es folgt ein scharfer Schlagabtausch im Zentrum, den Schwarz von seinem rochierten Bollwerk aus unterstützt. Weiß wird versuchen, seine Läufer auf e2 und e3 zu platzieren, um einen großen Bereich auf den Flügeln abzudecken. Zudem muss Schwarz aufpassen, nicht seinen starken Läufer auf den dunklen Feldern zu verlieren – Weiß würde diesen sicher nur zu gerne tauschen, um die schwarze Verteidigung zu schwächen und den eigenen König auf dem dunklen Rochadefeld abzusichern.
Die drei hier vorgestellten Eröffnungen stellen ein gutes Anfangsrepertoire dar und können mit ein wenig Übung schon viele Gegner:innen ins Wanken bringen. Dennoch muss bedacht werden, dass die aufgeführten Varianten nur einen kleinen Auszug aller möglichen Varianten darstellen. Die meisten Spiele, gerade gegen andere Anfänger oder Amateurspielerinnen, werden schon früh von der Theorie abweichen und in ein taktischen Spiel überleiten. Hier ist dann eine genaue Berechnung der Spielzüge gefragt – und natürlich viel Übung.
Ich wünsche euch viel Spaß und viel Erfolg im Schach.
Stefan